In meinem Kopf läuft im Augenblick ein Band: „Ich will es nicht, ich will es nicht. Es fühlt einfach nicht gut.„.
Ich bin Hundetrainer. Ich begleite Menschen bei der Erziehung ihres Hundes und/oder berate und coache Menschen die ein Problem haben mit ihrem Hund. Das ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, es ist spannend und es macht Spass. Und ich verdiene damit einen Teil meines Einkommens. Einen kleinen Teil.
Vor kurzem haben wir in unserem Team darüber gesprochen, dass wir eigentlich mehr Personal brauchen. Voraussetzung wäre aber, dass mehr Geld reinkommt. Mir wurde geraten, meine Stunden in der Hundeschule zu verkürzen. Die dauern nämlich immer mindestens 1 ½ Stunden und wenn wir unterwegs sind werden es auch mal 3 Stunden, vor allem wenn die wichtige Übung „Kaffee trinken gehen“ dabei ist.
Wenn ich genau 1 Stunde machen würde, würden die Kunden länger brauchen um zu lernen was sie jetzt auch lernen und ich hätte entweder mehr Zeit für andere Sachen oder könnte mehr Gruppenstunden einplanen, so wurde mir gesagt.
In mir entstand eine Revolte. Die war schon vorbereitet. Zum Beispiel im gestrigen Erstgespräch in dem mein Kunde erzählte, dass er vom Tierarzt zu hören bekam, sein Hund würde vollkommen unter Stress stehen weil er „das Rudel anführt“. Als ich fragte wie der Hund das denn macht, musste der Kunde die Antwort schuldig bleiben. Ja, es ist ein Hund der schnell unter Stress steht und man würde gerne an der Leinenführigkeit arbeite – aber der Termin für die Einzelstunde war nur zustande gekommen durch eine völlige Verunsicherung des Halters durch den Tierarzt. „Scheinbar mache ich alles falsch und jetzt hat mein Hund Dauerstress“. Und damit habe ich dann Geld verdient.
Wenn sich jemand bei mir meldet mit einem Problem, oder Unterstützung braucht bei Erziehungs- oder Trainingsfragen, finde ich es meine Aufgabe, dem Kunden zu helfen so schnell wie möglich wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Ein wichtiger Teil meiner Arbeit besteht darin, Kunden (wieder) Selbstvertrauen zu geben, in sich selbst und in die eigenen Fähigkeiten glauben zu können. Erziehung wird erst dann echt schwierig wenn man eine Wissenschaft daraus macht.
Genau das ist aber der Trend. Im Internet wimmelt es zunehmend von Seminaren und Workshops für Hundehalter über Hundeverhalten, Hundetraining, Hundeerziehung, Hundegesundheit, Hundebeschäftigung, und kein Thema bleibt dabei unbesprochen. Und alles so viel wie möglich in wissenschaftlicher Verpackung, so dass man auch sicher glaubt nicht genügend darüber zu wissen.
Ich habe mal gegoogelt nach „seminar verhalten hund“. 8 Millionen Treffer. Dann habe ich eingegeben „seminar verhalten kind“. 2 Millionen Treffer. Aha?
Ich glaube, wir kommen jetzt zu einer neuen Kundengeneration. Erst war es nichts besonderes einen Hund zu haben. Eventuell ging man zum Hundeplatz, und hatte irgendwann entweder die Schnauze voll vom SitzPlatzFuss Gedönse und lebte fröhlich weiter mit seinem Hund oder man bekehrte sich zum Hundesport.
Dann kamen die Hundeschulen und wurden die Hunde schulpflichtig. Nicht gesetzlich natürlich, aber gefühlt. Er sollte schon was lernen.
Dann kamen die Methoden. Die sanfte Methode, die Rudelmethode und viele, viele mehr, oft benannt nach demjenigen der dachte ´das sollten alle mal so machen´ und ein Buch drüber geschrieben hat.
Ganz durch sind wir noch nicht, es muss aber bei der unglaublichen Vielzahl Hundeschulen die es gibt immer mehr Menschen geben die schon einmal einen Hund erzogen haben. Die könnten doch vielleicht denken „das kann ich jetzt alleine“ – und vielleicht würden die übrigbleibenden Kunden gar nicht mehr reichen um alle Hundeschulen zu bedienen? Da braucht man vielleicht eine kleine Marktlücke?
8 Millionen Treffer. Von denen ganz viele uns mitteilen, dass wir keine Ahnung haben. Hundeschule ist Out, Seminare und Workshops sind In. Da gibt es bestimmt auch einige Veranstaltungen die den Hundeschulen ein bisschen weiter helfen, wenn beim Kunden die Überzeugung entsteht „eigentlich mache ich doch viel falsch“. Buchung von Seminar UND Kurs oder Einzeltraining ist doch viel lukrativer. Kundenbindung nennt man das.
Vielleicht bin ich aber auch nur ein misstrauischer Mensch.
Gerade sah ich wieder einen neuen Trend: Welpenspielstunden sind ganz schlecht. 9 Gründe werden aufgeführt als Argumentation für.... Einzeltraining für Welpen!
Die Hälfte der Argumentation bezieht sich aber nicht auf das Einzeltraining, sondern auf eine schlecht geführte Welpengruppe in der die Welpen einander erziehen. Wobei merkwürdigerweise hinzugefügt wird, dass man das besser erwachsenen Hunden überlassen sollte, weil im Kindergarten die Kinder sich untereinander auch nicht erziehen. Ja hallo? Ich lasse meinen Welpen doch nicht von einem Drittklasser erziehen? Es hört sich einfach dumm an und ich hoffe eigentlich, dass Menschen mit Welpen nicht drauf reinfallen. Die andere Hälfte der Argumentation sagt immer das Gleiche: individuell ist viel besser, weil der eine ist der andere nicht.
Es gibt aber eine Alternative. Eine Welpenspielgruppe mit maximal 4 Welpen. Mit ganz viel Zeit um Fragen zu stellen, oder den Hunden einfach beim Spielen zuzusehen. Und mit zwischendurch zwei oder höchstens drei kleinen Übungen, meist basiert auf Fragen der Hundeeltern. Und das Ganze dauert dann... 1 ½ Stunden, ja. Und ich verdiene keinen Sack dran.
Aber es macht Spass. Es fühlt gut, und ich will es so!
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